Sonntagsbetrachtung vom 5.12 im Schwabacher Tagblatt
Ein kleiner Engel gehört seit ungefähr 550 Jahren zur Wendelsteiner St.-Georgs-Kirche. Er hat heute seinen Platz am Eingang des Chorraums, steht etwa auf Augenhöhe auf einem Mauersockel. Ungefähr einen halben Meter ist er groß, mit einem weißen Gewand und eleganten, schmalen Flügeln. In den Händen hält er einen Kerzenleuchter. Die Wendelsteiner kennen ihn als ihren „Taufengel“.
Ein feines Lächeln liegt auf seinen Lippen. Ein Auge ruht auf dem Altarraum und dem Taufstein, das andere wendet sich gen Himmel. Ein bisschen Silberblick, ein bisschen verklärt, so schaut er, der Taufengel. Aber durchaus auch mit einer gewissen Erdverbundenheit. So schnell kann diesen Engel nichts erschüttern.
Das ist auch gut so, denn unser Engel hat schon einiges hinter sich. Herumgeschubst, verstaubt, ramponiert, ohne richtigen Platz im Leben. Wo er ursprünglich mal in der Kirche war, weiß keiner. Vielleicht war er mal Bestandteil eines gotischen Altars, der aber schon längst nicht mehr existiert. Irgendwann schien er jedenfalls nicht mehr so recht in die Kirche zu passen. Unmodern. Er wurde ausgemustert, landete zum Schluss auf dem Dachboden. Da lag er jahrzehnte-, vielleicht sogar jahrhundertelang. Verstaubt, verkratzt, ein Flügel fehlte.